Also....
jetzt, nach mehr als einer Woche Ablagern beim Zoll habe ich mein Acratech-Paket als letzte Lieferung der 3 bestellten Kugelköpfe erhalten.
Darin enthalten waren
GP ball
diverse Arcakompatible Klemmen mit Libelle
Nodalpunktschiene
eine Arca-Platte mit eingelassener Libelle
Der GP wurde gleich auf das Gitzo GT5541 geschraubt und ich habe in den Wohnung ein wenig damit herumgespielt und ein paar Sachen ausprobiert.
Die mitbestellte Nodalschiene ist sehr praktisch, um die 3 Köpfe (Acratech GP, ARCASwiss p0 und Gitzo GH 3780) gemeinen und niederträchtigen Belastungen auszusetzen: Anstelle von Kamerausrüstung kann man sie weit über den Kopf herausragen lassen und dann (mangels kurzfristig verfügbarer, anhängbarer Gewichte) SEHR kräftigen Druck ausüben.
FAzit: Alle drei KK, auch der Acratech tragen ohne abzusacken Gewichte, welche weit, weit jenseits dessen liegen, was man einem Kugelkopf je zumuten wird. Also kein Thema. abgehakt.
Kommen wir zum Gleichlauf: ohne Friktion läuft der Kopf gleichmäßig sauber und leicht, ohne Ruckeln. der Kopf sitzt in einer Art zweiteiliger, waagerechter Zange, ähnlich wie Trommelbremsbacken, nur sind die "Bremsbeläge" aus Delrin nicht aussen, sondern innen. Und die Backen werden nicht nach aussen gepresst, sondern durch zwei Schrauben mit Knöpfen nach innen gepresst. Eine davon ist die Friktionseinstellung (auf Yosemite´s Bildern der kleinere Knopf), gegenüber liegt der größere für die Schnelle Arretierung des Kopfes.
Beide haben wenig Weg zwischen den Einstellungen "ganz lose und ganz fest" und sind im Grunde funktionell ähnlich. ICH persönlich hätte mir etwas feineres Gewinde bei der Friktionseinstellung gewünscht, um sie präziser einstellen zu können, die Friktion hat insgesamt eine Umdrehung Spiel zwischen den beiden Anschlägen, aber die eigentlich verfügbare Einstellung liegt auf nur gut 90° Drehung. Man wird sich daran gewöhnen können. Viele andere Köpfe haben leider ähnlich kurze Friktionseinstellwege - das ist ein bißchen Schade.
Acratech legt offensichtlich Wert absolute VERWECHSLUNGSSICHERHEIT und verbaut sogar mit Handschuhen leicht (erkenn= )ertastbare, extrem unterschiedliche Einstellräder an seinen Kugelköpfen, das wird zu recht sogar in deren Videos erwähnt.
Die Unterschiede betreffen Durchmesser (friktionsknopf viel kleiner) , Oberflächenprofil (KUgeleinstellknopf viel grober) UND sogar Aussenmaterial (Friktionsknopf ganz feine, metallische Oberfläche, Kugeleinstelknopf mit im Winter sehr angenehmer Gummiummantelung) .
Selbst das Drehrad für die Acratech-Klemme (kleines, dreinoppiges Gummiummanteltes Drehrad) und die Feststellschraube für den Panoramateller (sechsnoppiges kleines, Gummiummanteltes Drehrad) lassen sich im Dunkeln neben deren Position eindeutig rein haptisch unterscheiden.
Das verdient ein Lob. Ebenso, daß man die früher einmal nicht gummibezogenen Drehknöpfe nun (bis auf den Friktionsknopf) alle auf diese Art sehr fingerfreundlich und griffig ausgelegt hat.
Die Arretierung ist der größte Knopf beim Acratech, aber im Vergleich zu den beiden anderen Köpfen VIEL kleiner. Man kann ihn dank eines Gummiüberzugs gut greifen, man kann auch sehr fest andrehen, aber es ist vom Durchmesser des Knaufs ein bißchen weniger Komfortabel als bei den beiden anderen. Will man die Kugel "richtig anknallen" , so ist das schon mit mehr subjektiver Kraft nötig als bei den beiden anderen Köpfen. Meist versucht man noch einmal einen Tick mehr, weil der Delrin-Bremsring minimal nachgibt. Aber zu diesem zeitpunkt ist der Kopf bereits völlig fest, es ist also nur ein subjektives Gefühl, weil man eben "Metall auf Metall" und nicht "Kunststoff auf Metall" gewohnt ist.
Interessant ist die Fragestellung, ob diese Kunststoff-Metall-Kombination vor- oder Nachteile bei der Schwingungsabsorption bzw. bei der Vermeidung von Schwingungen hat. Oder ob es vielleicht sogar völlig unerheblich ist.
Aber das kann man nur im Labor testen.
Nun, die Friktionseinstellung hat also einen recht engen Spielraum und Yosemite meinte eben per PN, er wurde das sogar schätzen. ich würde mir mehr Spielraum, also ein feineres Gewinde wünschen.... man sieht wieder einmal: Es ist schwer, als Hersteller die Vorlieben aller Kunden zu bedienen.
Schnell fixieren läßt sich der Kopf jedenfalls mit dem eigentlichen Arretierungsknopf.
Kommen wir zum einzigen Punkt, der mich ein wenig enttäuscht, aber rein funktionell völlig unerheblich ist:
Die Panoramafunktion läuft ein wenig kratzig. Und auch nicht lautlos, wie bei den beiden anderen Köpfen, die in dieser Hinsicht mechanisch und akustisch einfach perfekt sind. ich habe den Kopf mittels der Panoramafunktion viel gedreht, wie ich es auch mit dem Gitzo zuvor machte. Die mechanische Komponente wurde einw eig besser, aber dieses (rein subjektiv) unnangenehme Phänomen blieb. Funktionell irrelevant, aber nicht unbedingt Hi-tech, würde ich sagen.
Löst man die Panoramaschraube maximal (!), so ist zwischen Kopf und PAnoramaplatte ein Hauch von Spiel, bei den beiden anderen absolut nichts an Spiel. ABER: dreht man die Schraube nur ein wenig zu, ist es mit dem Spiel vorbei und voll arretiert halten alle drei Köpfe bombenfest, wie es sein muss. Also funktionell kein Problem, es sei denn, man macht mit völlig lockerer Panoramaschraube einen Schwenk und hebt dabei die Kamera an - so etwas macht wohl kaum einer.
Aber die Toleranzen sind schon höher, ein feinmechanisches Wunderwerk wie der p0 ist der Acratech an dieser bestimmten Stelle zwischen Panoramascheibe und übrigem Kopf nicht und auch der Gitzo kommt da besser weg... hat aber dafür jedoch die im Gitzo-Thread erwähnten Schwächen, die ich für alltagsrelevanter halte.
Bis jetzt konnte der Acratech ja rein funktionell gut mithalten - nun kommen wir zu dem, was den Acratech so besonders macht:
Er hat eine echte Gimbalfunktion eingebaut.
Schwenkt man den Kopf in die 90° Position, so kommt er mit seinem dazu genau geformten Hals in eine breite kerbe zu liegen, die als Lager dient. Wir haben also in einer sekunde eine perfekte 90° Position und zugleich eine Aufhängung in einer Achslagerung und keine seitliche Friktionsfixierung wie bei klassischen Kugelköpfen.
Die angenehme Folge: Der GP ist nun ohne jeden Umbau wahlweise ein zweiwege-Neiger: horizontal per Panoramaeinrichtung unten und vertikal über die geniale Achslagerung, die auch ohne Schmierung keine nennenswerte Reibung hat - oder bei Fixierung des Panoramateils eine rein vertikale Neigung. Seine Grenze hat der GP natürlich schon eher erreicht als die Gimbal-Spezialisten, das ist klar. Aber das ist ohne jedes Mehrgewicht serienmäßig "drin" .Limitierend ist hier der Umstzand, daß bei dieser Konstruktion der Schwerpunkt nicht exakt ber der Kopfmitte und der Stativhochachse liegt, sondern leicht seitlich davon.
Acratech bietet übrigens auch einen reinen Zweiwegeneiger mit Gimbalfunktion für schwere telebrennweiten an, ebenfalls unter 500 g wiegend.
Das hat nicht einmal der ansonsten sehr flexible Arca p0.
Allerdings sind damit die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft:
Mit einer Münze oder besser dem mitgelieferten Inbusschlüssel kann die Arcakompatible Klemme oben rasch angschraubt werden, der Kopf nach abschrauben von Stativ "auf den Kopf gestellt" und invertiert wieder auf das Stativ geschraubt werden. Nun wird die Schnellklemmung wieder auf den GP geschraubt (dort, wo der GP zuvor noch mit dem Stativ verbunden war) .
Jetzt liegt die Panoramaeinrichtung nicht mehr unten, wie bei fast allen anderen klassischen Kugelköpfen, jetzt liegt sie logischerweise oben, wie bei allen invertierten Köpfen - wie auch beim ARCA p0.
Und daher kann man mit dem Acratech und dem ARCA nach nur kurzer Umbauzeit perfekt PAnoramen schiessen, während man für den Gitzo eine zusätzliche Nivelliereinrichtung benötigt.
Ich werde den GP in der invertierten Position belassen, denn die Gimbalfunktion nutze ich persönlich sicherlich selten. Aber es ist schön, daß der Acratech GP all das bietet.
Fazit einer ersten Kurzbeurteilung:
Eine ca. 500g leichte, eierlegende Wollmilchsau, die Panoramaschwenks ebenso ermöglicht wie - meines Wissens nach einmalig unter den Kugelköpfen - eine bemerkenswert gute Gimbalfunktion (zumindest für teles bis ca. 300-400mm oder auch spektive ! ) Und das ohne auch nur ein Gramm mehr gewicht und ohne Aufpreis/Zubehör.
Ein sehr wohldurchdachtes, praxisnahes Kugelkopf- Konzept, wie ich finde.
Bis auf eine funktionell unerhebliche, aber für mit deutscher oder schweizer Feinmechanik verwöhnte Fotofreunde ein wenig störende technische Auslegung der Panoramafunktion eine runde Sache, die alle Eventualitäten abdeckt.
Man sollte ihn sich mal anschauen.
Allerdings auch die beiden genannten Alternativen.. (es gibt Threads zu allen Dreien)
Alle drei sind gute Käufe.
demnächst mehr zu den Dreien - dann aus der Praxis.
Gruß
MF